Anwenderbericht Funktion in der Implantologie



Funktion in der Implantologie


Ein Fallbeispiel von Dr. Umut Baysal – Implantatversorgung auf Basis realer Kiefergelenksbewegungen

Funktion und Ästhetik in der Implantatprothetik – Der Erfolg einer implantatprothetischen Therapie lässt sich neben der ästhetischen Rehabilitation vor allem durch die funktionelle Nachhaltigkeit der Versorgung feststellen.

Einleitung

Die Registrierung der Unterkieferbewegungen ist ein zentraler Behandlungsschritt bei der prothetischen Rehabilitation nach Zahnverlust. Der Einsatz von Implantaten stellt eine vorteilhafte Therapieoption dar, vor allem bei zahnlosen Kiefern im Vergleich zum konventionellen Vorgehen. Dieser Beitrag behandelt den Stellenwert der instrumentellen Bewegungsaufzeichnung und deren Anwendung zur Programmierung eines Artikulators. Dabei wird das zebris System, mit welchem die Unterkieferbewegungen digital registriert werden, verwendet.

Besonders beim Verlust aller Stützzonen ist eine Neubestimmung der Kieferrelation von großer Bedeutung. Die Präzision der Registrierung ist primär für die Genauigkeit der neuen Okklusion verantwortlich. Aufgrund der fehlenden Beweglichkeit und Pufferwirkung eines osseointegrierten Implantats sind bei der implantatgetragenen Rehabilitation besonders hohe Anforderungen an die okklusale Präzision gestellt. Während der Funktion oder Parafunktion treffen okklusale Kräfte ohne eine parodontal vermittelte reflektorische Bremswirkung auf das Implantat auf.


Die durch eine fehlerhafte okklusale Gestaltung auf das Implantat auftreffenden Kräfte können zu Überlastungen und biologischen Komplikationen wie zum Beispiel Spannungsschmerz, Reizung des periimplantären Weichgewebes, Mikrofrakturen des krestalen Knochens, bis zum frühzeitigen Verlust der Osseointegration führen. Daher sind bei der klinischen Umsetzung besonders präzise Techniken zur Kieferrelationsbestimmung sinnvoll und notwendig. Indem die Bewegungsaufzeichnungen mit in die Implantatplanung aufgenommen werden, kann das gewünschte Behandlungsergebnis mit größerer Sicherheit erzielt werden. Dabei ist es das Ziel, eine funktionell harmonische Wechselwirkung von Kiefergelenk, Kiefermuskulatur und okklusaler Stabilisierung zu realisieren.


Patientenfall (Kasuistik)

Ein 50-jähriger Patient stellte sich erstmalig Ende 2017 in unserer Praxis vor. Im Oberkiefer war der Patient bis auf die Zähne 13, 12, 22 und 23 unbezahnt. Im Unterkiefer waren die Zähne 34 und 43 vorhanden. Als Zahnersatz hatte der Patient in beiden Kiefern eine einfache Klammerprothese. Die Zähne hatten eine Lockerung von 2 – 3. Nach einem ausführlichen Gespräch wurden folgende Eigenschaften für den zukünftigen Zahnersatz festgehalten:

  • Herausnehmbar (aufgrund der Erweiterbarkeit)
  • Gaumenfreie Gestaltung
  • Implantatgetragen
  • Kostengünstig

Wir entschieden uns für zwei herausnehmbare Teleskopprothesen, wobei die OK-Prothese gaumenfrei gestaltet werden sollte.


Diagnostik und Planung

Es erfolgte eine dreidimensionale Bildgebung mittels DVT. Die für die Interimsphase belassenen Zähne dienten zur Abstützung der Scanschablonen und sollten später ebenfalls als Verankerung für die Bohrschablone dienen. Auf Grund der Lockerung der Zähne wurde auf eine breite basale Abstützung geachtet.

zebris-Vermessung

Um bereits im Vorfeld einen besseren Überblick über die Kieferbewegung und eventuelle therapeutische Maßnahmen wie z. B. eine Bisshebung zu erhalten, haben wir den Patienten bereits zu diesem Zeitpunkt das erste Mal mit dem zebris JMAnalyser+ Kieferregistriersystem (Schütz Dental GmbH, Rosbach) vermessen. Das zebris-System ist für den analogen und digitalen Workflow geeignet. Eine Messung dauert ungefähr 15 Minuten und lässt sich problemlos in den Praxisalltag integrieren.

 
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Implantatplanung

Im Oberkiefer wurden insgesamt sieben Implantate geplant (Abb. 4). Die reduzierte Knochenhöhe im Bereich der Molaren erforderte eine Planung der Implantate mit simultanem internen Sinuslift. Abhängig von der Indikation wurden sowohl IMPLA Cylindrical Cone Connection und IMPLA Micro Retention Implantate der Firma Schütz Dental geplant. Im Unterkiefer wurden insgesamt sechs Implantate (Abb. 5), ebenfalls IMPLA Cylindrical und IMPLA Micro Retention Implantate der Firma Schütz Dental geplant. Die Planung erfolgte mit dem offenen System Sicat Implant der Firma Sicat.

Implantation

Oberkiefer

Die Implantation erfolgte unter örtlicher Betäubung und wurde in zwei Sitzungen getrennt. Nach krestaler Schnittführung und einseitiger mesialer Entlastung wurden die Pilotbohrungen mittels Bohrschablone durchgeführt.

Implantatbettaufbereitung

Die weitere Implantatbettaufbereitung erfolgte im Oberkiefer mittels Osteotomen in folgenden Regionen: 16, 15, 14, 21, 24, 25, 26.
Wobei die Implantation in den Regionen 016, 025 und 026 unter Anwendung des internen Sinuslifts durchgeführt wurde (Abb. 6, 7 und 8).


Unterkiefer

Im Unterkiefer erfolgte die weitere Aufbereitung nach dem vorgeschriebenen Bohrprotokoll, jedoch mittels Pilot-Bohrschablone. Die Implantatinsertion jedoch ohne Zuhilfenahme der Bohrschablone (Abb. 9). Die Implantate wurden nach 8 Wochen mittels der Abdruckpfosten im offenen Löffeltechnikverfahren abgeformt. Die Abformung wurde daraufhin für die Registrierung und Modelherstellung genutzt (Abb. 11). Abbildung 10 zeigt die reizlose Gingiva um die Implantate herum.



Registrierung

Bei komplexen prothetischen Rehabilitationen ist eine patientenspezifische und individuelle Pro grammierung der Artikulatoren empfehlenswert. Bei mittelwertiger Programmierung sind Fehler in einer Größenordnung von etwa 300 μm nicht zu vermeiden.

zebris Vermessung

In diesem Fall wurde die Untersuchung mittels des zebris JMAnalyser+ Systems (Schütz Dental GmbH, Rosbach) durchgeführt. Das zebris System ist ein auf Ultraschallbasis arbeitendes Achsiographiesystem und bietet eine schnelle, genaue und effiziente Bestimmung aller wichtigen Parameter zur Programmierung des Artikulators. Es misst die Laufzeiten von Ultraschallimpulsen, die von im Unterkieferbogen integrierten Sendermodulen gesendet und von im Gesichtsbogen integrierten Mikrofonen empfangen werden.

Zur Montage wird der Gesichtsbogen angebracht und der Unterkiefersender mittels eines vorbereiteten okklusalen Löffels im UK fixiert (Abb. 12, 13).

Die Registrierung des Oberkiefers erfolgt ebenfalls mit dem Unterkieferbogen, dieser wird mittels Träger im Oberkiefer fixiert (Abb. 14).

Mit der neuen Software ist nun die Analyse und Dokumentation von beliebig vielen Bewegungsspuren möglich. Sie ermöglicht das gleichzeitige Erfassen aller sechs Freiheitsgrade der Mandibularbewegung. Der Behandler kann zwischen den drei Hauptmodulen „Artikulator“, „Funktion“ und „Kieferrelation“ unterscheiden. Die weitere Bedienung der Software erfolgt sehr intuitiv und der Behandler wird mit kurzen Anweisungen und Animationen durch den Aufzeichnungsvorgang geleitet. In unserem Fall kamen die beiden Module „Funktion“ und „Artikulation“ zur Anwendung.

Nach Abschluss der Messungen können die Ergebnisse im PDF-Format zur individuellen Programmierung exportiert werden. Dabei steht für die drei gängigen Artikulatorsysteme (Kavo, Artex und SAM) ein Report zur Verfügung.

Dem Zahntechniker ermöglichen diese Daten eine individuelle Programmierung des digitalen Artikulators.



Prothetik

Bei der Herstellung von herausnehmbarem Zahnersatz für zahnlose Patienten oder Patienten mit stark reduzierter Restbezahnung und eingehendem Verlust der natürlichen Stützzonen ist die exakte Bestimmung der vertikalen und horizontalen Kieferrelation von besonderer Bedeutung. Neben Überbelastungen der Kiefer und der Gelenke, können bei falscher vertikaler Dimension Probleme im Bereich von Lippenschluss, Sprachfunktion und ästhetischem Erscheinungsbild entstehen.

Die Registrierung nach Implantation ist eine hervorragende Möglichkeit, die Probleme, die sich im zahnlosen Kiefer ergeben, zu umgehen. Deswegen erfolgt die Bestimmung der vertikalen Kieferrelation mit einer Abstützung auf den bereits osseointegrierten Implantaten. Unabhängig von der Art der Registrierung ermöglicht die implantatverankerte Relationsbestimmung eine ausgezeichnete Fixation, auch unter Funktionsbewegungen.

Nachdem alle erforderlichen Daten dem Zahntechniker vorliegen, kann auch mit der Erstellung des Zahnersatzes begonnen werden. Im folgenden Fall wurde eine auf Teleskopen verankerte Prothese ohne Abdeckung des Gaumens erstellt. Die Primärteile wurden dabei mit der Tizian Creativ RT CAD Software der Firma Schütz designt und mit der Tizian Cut 5.2 Fräsanlage der Firma Schütz Dental gefräst (Abb. 15). Nach der Anprobe der Primärteile erfolgte eine zweite Abformung für ein weiteres Modell (Abb. 16, 17).


Wir entschieden uns gegen eine keramisch verblendete Brücke, da bei Verlust von Weichgewebe eine keramische Verblendung mit rosa Keramik nicht unbedingt der Variante aus Kunststoff überlegen ist. Die Verklebung der Galvanokappen erfolgte im Mund, um ein „passiv fit“ zu erzielen (Abb. 18). Dies ermöglicht einen spannungsfreien „Lauf“ der Prothese. Der in der Abbildung gezeigte Überwurf wurde noch konventionell gegossen, da auf eine ultragenaue Passung verzichtet werden kann (Abb.19, 20).



Ergebnis

Das Abschlussfoto zeigt einen glücklichen Patienten, der nach jahrelanger Klammerprothese einen deutlichen Mehrwert gewonnen hat (Abb. 21.1).



Diskussion

Die definitive Kieferrelationsbestimmung mit Aufzeichnung und Übertragung der Unterkieferbewegungen ist ein bedeutender Schritt bei der Rehabilitation nach Zahnverlust. Die terminale Scharnierachse lässt sich mit dem zebris System hinreichend genau bestimmen. Das zebris System zeichnet sich aus durch eine gute Reproduzierbarkeit der Lokalisation der Scharnierachse. Die erforderlichen Daten zur vollständigen Programmierung eines Artikulators können ohne großen Aufwand erfasst und an das Labor übermittelt werden.

 

Autor

 

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Hinweis: Dieser Bericht dient nicht als Anleitung. Die Anleitungen für die verwendeten Materialien und Geräte sind zu beachten. Die Verantwortung liegt beim Behandler.

 

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