IMPLA Multi Unit Konzept - Festsitzende Versorgungen auch ohne Augmentation



Klinischer Fall
Im Dezember 2016 stellte sich eine 56-jährige Patientin in unserer Praxis mit dem Wunsch einer prothetischen Rehabilitation vor. Die allgemeine Anamnese zeigte sich unauffällig, die Patientin ist Nichtraucherin. Das vorhandene Restgebiss war nicht erhaltungswürdig, sodass eine totalprothetische Lösung diskutiert wurde. Im Oberkiefer wurde eine subtotale Prothese hergestellt, im Unterkiefer fiel die Entscheidung auf eine implantologische Lösung, um einen stabilen Sitz der Prothese trotz fortgeschrittener Knochenatrophie zu ermöglichen. Um aufwendige augmentative Verfahren zu vermeiden, wurde eine herausnehmbare Prothese auf einem über vier Implantaten verankerten Steg geplant. Dabei sollten die distalen Implantate zur Vergrößerung des Unterstützungspolygons anguliert werden. 

 

Unter Anwendung des Multi-Unit-Konzeptes (Schütz Dental, Rosbach) wurde in der Zeit von Januar bis Dezember 2017 die Behandlung durchgeführt, die wir im Folgenden step-by-step darlegen.

Planung
Unter Berücksichtigung des reduzierten Knochenangebots und mangelnder Knochenhöhe insbesondere im 3. Quadranten wurden in diesem Fall vier interforaminale Implantate entsprechend des „Multi-Unit-Konzepts“ mit einer Neigung der distalen Implantate um ca. 30° geplant. (OPG Abb.1, Ausgangsbilder Abb. 2 & 3). Dabei wird interforaminal implantiert, die distalen Implantate werden im Winkel von 25-35° nach distal anguliert, so dass es zu einer Vergrößerung des Unterstützungspolygons kommt. Dabei liegt die Position des distalen Implantats mesial, der Implantantsaustrittspunkt über oder distal des Foramen mentalis, so dass in der Regel ausreichend Knochenhöhe für auch längere Implantate mit entsprechend höherer Stabilität vorhanden ist.

Erste OP: Extraktion und Augmentation
Ende Januar 2017 wurde die Behandlung begonnen. Dabei wurden alle Zähne und Wurzelreste im Unterkiefer, sowie die Wurzelreste im Oberkiefer extrahiert. Ausgehend von dem Knochendefekt, insbesondere der fehlenden bukkalen Knochenlamelle, Regio 43, wurde eine umfangreiche Augmentation mit autogenem Knochen und xenogenem Material durchgeführt und mit einer resorbieren Kollagenmembran abgedeckt. (Extraktion und Augmentation Abb. 3-8.) Die Nahtentfernung erfolgte 10 Tage nach Operation (Abb. 9).

Zweite OP: Implantation
Nach einer Abheilphase von ca. drei Monaten (Abb. 10) wurde die Implantation durchgeführt. Es wurde eine crestale Inzision Regio 34 bis 44 mit distalen Entlastungsschnitten durchgeführt (Abb. 11) und der Kieferkamm sowie die Foramina mentale wurden dargestellt. Das Augmentat ist vollständig verknöchert (Abb. 12 & 13). Entsprechend dem Bohrprotokoll des Implantatherstellers (Schütz Dental, Rosbach) wurde das Implantatlager für vier Implantate aufbereitet, wobei die distalen Implantate um ca. 30° nach distal anguliert wurden und die Foramina mentalis mesial passierten (Abb. 14-16). Nach Implantatinsertion (Abb. 17) und Abdeckung mittels Heilkappen (Abb. 18) erfolgte ein speicheldichter Wundverschluss mittels 3-0 Seidennaht (Schütz Dental, Rosbach) (Abb. 19). Das gefertigte Orthopantomogram zeigt den Zustand nach Implantation (Abb. 20).

Freilegung
8 Wochen nach Implantation erfolgte die Freilegung der Implantate (Abb. 21 & 22). Es wurde ein individueller Löffel für eine offene Abformung erstellt (Abb. 23) und eine entsprechende Abformung unter Zuhilfenahme der Multi-Unit-Abformpfosten und Abutments (Schütz Dental, Rosbach) genommen (Abb. 24). Nach Übertragung der Situation auf das Modell (Abb. 25) wurde ein Übertragungsschlüssel mittels Kunststoffpattern hergestellt (Abb. 26-28) und im Mund anprobiert (Abb. 29). Die Abutments wurden daraufhin eingesetzt (Abb. 30 & 31).

Steg
Im beauftragten Dentallabor (Bisswerk, Aachen) wurden Steg sowie Sekundärgerüst hergestellt (Abb. 32 & 33) und erneut im klinischen Kontext anprobiert (Abb. 34). Die Passung des Stegs wurde durch den Sheffield-Test verifiziert (Abb. 35).

Prothese
Die Fertigstellung der Prothese erfolgte daraufhin erneut im Dentallabor (Bisswerk, Aachen) (Abb. 36-39). Abschließend wurde ein OPG zur radiologischen Kontrolle der Implantate und des Stegs erstellt (Abb. 40). Der Abschluss der Arbeit erfolgte im September 2017. Die Patientin stellte sich im weiteren Verlauf zur Nachkontrolle vor, bei der eine Reinigung der Prothese und des Stegs erfolgte.

Diskussion
Das Konzept der distal angulierten Implantate geht zurück auf Kerkmanov in den 90er Jahren [Kerkmanov et al., 2000], wurde aber erst zu Beginn dieses Jahrhunderts durch das „All-on-4“-Konzept von Paolo Malo etabliert [Malo et al., 2003, 2005, 2006, 2007, Khatami & Smith, 2008]. Durch das häufig, wie auch in diesem Fall, begrenzte vertikale Knochenangebot im Unterkiefer-Seitenzahnbereich ermöglicht diese Behandlungsmethode eine Versorgung der unbezahnten Mandibula ohne aufwendige Augmentationen. In diesem Fall ließ die Restknochenhöhe die Implantation von Implantaten mit Standardlänge distal der Foramina mentale nicht zu. Aus diesem Grund entschieden wir uns für eine interforaminale Implantation. Um das prothetische Unterstützungspolygon zu vergrößern wurden entsprechend des oben genannten Konzeptes die distalen Implantate ca. 25-35° nach distal anguliert.

Die vorausgehende Augmentation des Knochendefekts nach Extraktion in Regio 43 wurde im Sinne der socket preservation mit xenogenem Knochenersatzmaterial und Kollagenmembran durchgeführt [Troiano et al., 2017, Vignoletti et al., 2012] und auf die anderen Extraktionsalveolen ausgeweitet, um die Situation für die geplante Implantation zu optimieren.

Sowohl der Eingriff der Extraktion und Augmentation, wie auch der Implantation verliefen komplikationslos, der Wundheilungsverlauf war unauffällig. Der prothetische Herstellungsprozess wurde in Kooperation mit einem Labor (Bisswerk, Aachen) durchgeführt. Durch die präfabrizierten Teile des Multi-Unit-Systems (Schütz Dental, Rosbach) konnte auf eine Individualisierung der Abutments verzichtet und so die Fertigstellung vereinfacht und beschleunigt werden. Das Multi-Unit-System wurde in Kombination mit Cylindrical Implantaten (Schütz Dental, Rosbach) verwendet, da die Cylindrical Implantate durch ihr selbstschneidendes Gewinde und die zylindrische Außengeometrie die größtmögliche Primärstabilität bieten.

Die Auswahl an Abutments, Hilfsteilen für die geschlossene, sowie offene Abformung bieten als Gesamtsystem eine einfache und übersichtliche Möglichkeit um Konzepte mit angulierten Implantaten im Unterkiefer, wie auch im Oberkiefer, schnell versorgen zu können. Berücksichtigt man den Fortschritt und den Wunsch nach leicht umsetzbaren und kostengünstigen Lösungen, ist die Verwendung dieses Systems der logische nächste Schritt. Dabei führt – insbesondere für Praxiskonzepte „Alles aus einer Hand“ – die Verwendung des Schütz Dental Multi-Unit-Systems zu sehr guten Ergebnissen.


Literatur
1. Maló P, Rangert B, de Araújo Nobre M. „All-on-Four“ immediate-function concept with Brånemark System implants for completely edentulous mandibles: A retrospective clinical study. Clin Implant Dent Relat Res 2003; 5 (Suppl 1): 2-9.

2. Maló P, Rangert B, de Araújo Nobre M. All-on-4 immediate-function concept with Brånemark System implants for completely edentulous maxillae: A 1-year retrospective clinical study. Clin Implant Dent Relat Res 2005; 7 (Suppl 1): S88-94.

3. Maló P, de Araújo Nobre M, Petersson U, Wigren S. A pilot study of complete edentulous rehabilitation with immediate function using a new implant design: Case series. Clin Implant Dent Relat Res 2006; 8:223-232

4. Maló P, de Araújo Nobre M, Lopes A. The use of computer-guided flapless implant surgery and 4 implants placed in immediate function to support a fixed denture: Preliminary results after a mean follow-up period of 13 months. J Prosthet Dent 2007; 97(suppl):S26-S34.

5. Krekmanov L, Kahn M, Rangert B, Lindström H. Tilting of posterior mandibular and maxillary implants of improved prosthesis support. Int J Oral Maxillofac Implants 2000; 15: 405-414

6. Troiano G, Zhurakivska K, Lo Muzio L, Laino L, Cicciù M, Lo Russo L. Combination of Bone Graft and Resorbable Membrane for Alveolar Ridge Preservation: a Systematic Review, Metaanalysis and Trial Sequential Analysis. J Periodontol. 2017 Sep 12:1-17. doi: 10.1902/ jop.2017.170241.

7. Vignoletti F, Matesanz P, Rodrigo D, Figuero E, Martin C, Sanz M. Surgical protocols for ridge preservation after tooth extraction. A systematic review. Clin Oral Implants Res. 2012 Feb;23 Suppl 5:22-38. doi: 10.1111/j.1600- 0501.2011.02331.x.

8. Khatami AH, Smith CR. “All-on-Four” immediate function concept and clinical report of treatment of an edentulous mandible with a fixed complete denture and milled titanium framework. J Prosthodontics 2008;17(1):47-51



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